1977
Von Antipasta zur Ersten Allgemeinen Verunsicherung
Die Anfänge der Ersten Allgemeinen Verunsicherung reichen bis ins Jahr 1974 zurück. Damals beschloss Informatikstudent Eik Breit (Audio-Interview) / (Podcast) gemeinsam mit seinen Freunden Günter Heinemann und Reinhard Brummer musikalisch aktiv zu werden. Sie gründeten die Band Antipasta, die mit Coverversionen im Stil von „Crosby, Stills, Nash & Young“ in kleinen Discos wie dem Wiener „Atlantis“ und Studentenclubs auftrat. Die Band suchte noch neue Mitmusiker, und so hängte Reinhard Brummer einen Zettel mit der Aufschrift „Gitarrist für neue Band gesucht!“ am Schwarzen Brett der Universität zu Wien auf. Nino Holm, der mit der Universität eigentlich nichts am Hut hatte (er besucht die Kunstakademie am anderen Ende des 1. Wiener Bezirks), schaute dennoch regelmäßig auf das Schwarze Brett der Uni, entdeckt die Anzeige und meldet sich. Sofort ist er der neue Gitarrist bei Antipasta (nicht weil er besonders qualifiziert für diesen Job wäre, er ist nur der einzige, der sich auf die Annonce meldet). Nino Holm wurde später zum Keyboarder der EAV und blieb der Band bis 1994 treu. Die Besetzung von Antipasta wechselt in den nächsten Jahren des öfteren: So spielt ein gewisser Zak, der übrigens an 87er-Album „Liebe, Tod & Teufel“ der EAV mitwirkte, eine zeitlang am Bass, verlässt die Band dann aber wieder. Thomas Rabitsch steigt 1976 für ein Jahr als Keyboarder ein, gründet im Anschluss die Band „The Hallucination Company“. 1978 wird er Keyboarder der österreichischen Anarcho-Band „Drahdiwaberl“. Berühmt wird Rabitsch Mitte der 80er Jahre als Keyboarder in Falcos Band. Auch er hat in der neueren Geschichte der Verunsicherung mitgewirkt: Er arbeitete am 94er-Album „Nie wieder Kunst (wie immer…)“ mit. Im Dunstkreis der Bands um Thomas Rabitsch („The Hallucination Company“ und „Drahdiwaberl“) ist auch die frühe EAV einzuordnen. Der „Theater-Rock“ erfreute sich Ende der 70er Jahre in Österreich großer Beliebtheit. Vielleicht auch ein Grund, warum die Verunsicherung später den Durchbruch schaffte. Doch bis dahin war es noch ein langer Weg. Nach dem Ausstieg von Thomas Rabitsch holte Nino Holm 1977 seinen schwedischen Landsmann Anders Stenmo zur Band. Ab dieser Zeit zählt auch Marlies Breier zum nahen Umfeld von Antipasta (und später auch von der EAV). Für den Part des Gitarristen hatte Nino Holm konkrete Vorstellungen: Im April 1977 schlägt er seinen Kollegen Thomas Spitzer von der Kunstakademie vor. Gemeinsam mit Marina Tatic hatten die drei bereits erste Ideen entwickelt, die später zur Gründung der EAV führen sollten. Dieser „Mördergitarrist“ (O-Ton Nino Holm über Thomas Spitzer) ist von Antipasta aber alles andere als angetan. Nachdem er sich ein Konzert der Band im Wiener „Atlantis“ angesehen hat, steht sein Entschluss fest: „Bei dem konzeptlosen Haufen mach‘ ich nicht mit. Wenn, dann muss hinter dem Ganzen eine ordentliche Idee stecken.“ Spitzers Worte machen Eindruck: Antipasta löst sich auf, in den Köpfen der verbliebenen Musiker (Eik Breit, Nino Holm, Anders Stenmo und Thomas Spitzer – gemeinsam mit Marina Tatic) entsteht die Idee einer „Rock-Comix-Band“. Auf den Namen der neuen Gruppe, kommen die Musiker nach einer durchzechten Nacht, als sie an einem Gebäude der „1. Allgemeinen Versicherung“ in Wien vorbei schlendern und beschließen sich ab sofort als die „Erste Allgemeine Verunsicherung“ zu bezeichnen. Mit der Begründung „Die Versicherungstypen regen sich dann sicher auf, und wir haben unseren ersten Wirbel“ wird der Name angenommen. Ganz unrecht hatte die Band mit dieser Mutmaßung nicht: 1978 hätte die „1. Allgemeine Versicherung“ die EAV wegen ihres Namens beinahe verklagt (was wegen „Branchenfremdheit“ abgschmettert wurde), 1987 traten sie dann allerdings als Hauptsponsor der „Pinguin-Tour“ auf. Die EAV zieht Mitte 1977 in ein altes Abbruchhaus am Wildpretmarkt 11 in der Wiener Innenstadt, funktioniert das Wohnzimmer der Kommune zum Proberaum um und schmiedet erste Pläne für eine Bühnenshow. Neu in der Band, die zwar noch keinen einzigen Auftritt absolviert hat, aber zumindest in den Köpfen der Musiker wächst, ist Thomas Spitzers Freund Walter Hammerl, der zunächst als Manager der Band fungiert, später als Bühnenakteur fest zur EAV stößt. Zwei Etagen unter der EAV-Kommune befand sich übrigens „Gittis Jazz-Keller“ (Inhaberin: Jazz-Gitti, damals noch Szene-Original, gewann sie Jahre später den „World Music Award“, eine Auszeichnung, die auch die EAV 1991 entgegen nahm.). Ende 1977 hat auch ein weiterer (nicht ganz unwichtiger) Protagonist in Bezug auf die Verunsicherung ersten Kontakt zur Band: Thomas‘ Freund Klaus Eberhartinger besucht die EAV-Kommune, liest das Skript zur ersten Bühnenshow der Band und fällt sein niederschmetterndes Urteil: „Soll das dein Ernst sein? Alter, vergiss es und mach etwas anderes. Ich weiß, du kannst es besser“. Thomas Spitzer, zunächst beleidigt über die harsche Kritik, zieht sich fünf Tage zurück und schreibt ein komplett neues Programm. Der Titel des neuen Werks: „Verunsicherung“…